A
"Organs of extreme Perfection and Complication" (Titel
der Abhandlung)
"To suppose that the eye with all its inimitable
contrivances for adjusting the focus to different distances, for
admitting different amounts of light, and for the correction of spherical
and chromatic aberration, could have been formed by natural selection,
seems, I freely confess, absurd in the highest degree."
"Organe von äußerster Vollkommenheit
und Verwicklung"
"Die Annahme, daß das Auge mit all seinen
unnachahmlichen Einrichtungen: die Linse den verschiedenen Entfernungen
anzupassen, wechselnde Lichtmengen zuzulassen und sphärische
wie chromatische Abweichungen zu verbessern, durch die natürliche
Zuchtwahl entstanden sei, erscheint, wie ich offen bekenne, im höchsten
Grade als absurd."
Wenn dieses "offene Bekenntnis" auch ein ehrliches
wäre, hätte sich Darwin die weitere Arbeit sparen können.
So bleibt nur der rhetorische Schachzug. Wie der folgende Text zeigt, "erscheint" es
zwar absurd, aber nur solange man seine Selektionstheorie nicht voll
erfasst hat. Die Letztere hält er für die angemessene Erklärung.
Dem Leser wird erst einmal beigepflichtet (Paleys Natural Theology
gehörte damals noch zur Pflichtlektüre), damit eine gemeinsame
Grundlage geschaffen wird, aber nur, um diese im nächsten Satz
vollständig zu relativieren.
B
"When it was first said that the sun stood still
and the world turned round, the common sense of mankind declared
the doctrine false; but the old saying of "Vox populi, vox Dei," as
every philosopher knows°, cannot be trusted in science."
"Als zum ersten mal ausgesprochen wurde, die Sonne
stehe still und die Erde drehe sich um sie, hielt man allgemein diese
Meinung für falsch; dem alten Sprichwort "vox populi vox dei" darf
aber die Wissenschaft kein Vertrauen schenken."
Diese Relativierung ist psychologisch sehr geschickt
und wäre auch völlig legitim, wenn anschließend Tatsachen
unterbreitet werden könnten, die das Gegenteil des bisher für
richtig Gehaltenen bewiesen. Das Letztere ist nun das entscheidende
Kriterium. Denn sonst könnte man damit alles relativieren, selbst
unsere sichersten Erkenntnisse. Die an sich gute Methode kann also
in wissenschaftsfeindlichem Sinne verwandt werden. Mit dem "vox populi.." wird übrigens
der erste Satz, die Meinung des Lesers, in unzulässiger Weise
gewertet. Heute ist z.B. "vox populi", dass die Erde sich um die
Sonne bewegt - und das ist wissenschaftlich richtig, genau wie zur
Zeit Darwins. "Vox dei" ist im übrigen nicht unbedingt die Stimme
der nach Erkenntnis strebenden und manchmal auch, wie bei der vorliegenden
Frage, von materialistischen Dogmen ausgehenden menschlichen Wissenschaft.
Richtig bleibt auf alle Fälle, dass man über wissenschaftliche
Wahrheit nicht mit einem Mehrheitsvotum entscheiden kann.
"..wie jeder Philosoph weiß.." von C.W. Neumann
nicht übersetzt.
C
"Reason tells me, that if numerous gradations from
a simple and imperfect eye to one complex and perfect can be shown
to exist, each grade being useful to its possessor, as is certainly
the case; if, further, the eye ever varies and the variations be
inherited, as is likewise certainly the case; and if such variations
should be useful to any animal under changing conditions of life,
then the difficulty of believing that a perfect and complex eye could
be formed by natural selection, though insuperable by our imagination,
should not be considered as subversive of the theory."
"Der Verstand sagt mir: wenn zahlreiche Abstufungen
vom einfachen, unvollkommenen Auge bis zum zusammengesetzten und
vollkommenen nachgewiesen werden und jede Abstufung ihrem Besitzer
nützt, was ja sicher der Fall ist; wenn ferner das Auge beständig
variiert und diese Veränderungen erblich sind, was gleichfalls
sicherlich zutrifft; und wenn schließlich diese Veränderungen
einem Tier unter wechselnden Lebensverhältnissen nützen,
so kann die Schwierigkeit der Annahme, daß ein vollkommenes,
kompliziertes Auge durch die natürliche Zuchtwahl gebildet worden
sein könne (so unüberwindlich sie unserer Einbildungskraft
auch erscheinen mag), unsere Theorie nicht umstürzen."
In dieser Verteidigungsrede stecken einige Voraussetzungen,
die u.U. nicht nur den biologisch wenig geschulten Leser auf's Glatteis
führen können. Sehen wir uns diese Voraussetzungen etwas
näher an:
1.
Bei dieser Betrachtung wird, wie so häufig
bei Behandlung dieser Frage auch in neuester Literatur (vgl. Prof.
Rensch, pp.23/24 in der vorliegenden Arbeit), nur mit dem isolierten
Organ gearbeitet. Das auch schon damals bekannte, wenn auch noch
nicht soweit wie heute erforschte Koadaptations-Phänomen wird
hier nicht gesehen bzw. bewusst nicht erwähnt.
Pierre P. Grassé schreibt dazu (1975, pp.
177/178):
1860 dachte Darwin nur an das Auge, aber heute müßte
er alle Verbindungen des Organs mit dem Gehirn mit in Betracht ziehen.
Die Netzhaut steht in Beziehung zur gestreiften Zone des Hinterhauptlappens
der Gehirnhemisphären: mit jeder seiner Partien - vielleicht
mit jeder seiner lichtempfindlichen Zellen - korrespondieren spezielle
Neuronen. Die Verbindung der Fasern des Sehnervs und der Neuronen
des Hinterhauptlappens vollzieht sich mit einer absoluten Perfektion
in den Kniehöckern (corpus geniculatum laterale). Die Wanderungen
der Axone, der Druck der Dendrite, das Zusammentreffen mit den korrespondierenden
Elementen ist so genau geregelt in Zeit und Raum, daß im Normalfall
wahrhaftig alles vollkommen ist.46)
Das Außerachtlassen des Koadaptationsproblems
ist (zumindest heute) eine grobe Simplifikation, die an den Tatsachen
vorbeigeht.
2.
"..Abstufungen vom einfachen und unvollkommenen
Auge bis zum zusammengesetzten und vollkommenen.." J. von Uexküll
hat anhand vieler biologischer Beispiele gezeigt (vgl. bitte direkt
hierzu das Zitat auf p. 33 unten), dass man die Begriffe "einfach" nicht
mit "unvollkommen" bzw. "zusammengesetzt" nicht mit "vollkommen" gleichsetzen
kann. Jeder Augentypus ist für die Umwelt und Innenwelt des
jeweiligen Tiers nicht nur nützlich, sondern in gleicher Weise
vollkommen (vgl. Beispiel Regenwurm). Darwins Missverständnis
beruht auch hier wieder auf der mangelnden Berücksichtigung
des Koadaptations-Phänomens und der "Ganzheit" der Organismen.
Kuhn 1951, p. 21:
Eine Amöbe ist adaptiv gesehen ebenso zweckmäßig,
ja sogar zweckmäßiger als der differenzierteste Organismus;
denn was dort Billionen Zellen leisten, besorgt hier eine einzige.
Und diese einzige Zelle lebt, ernährt sich, pflanzt sich fort,
reagiert auf äußere Reize usw., ja sie ist potentiell
unsterblich. Die höheren Lebewesen aber haben durch die Differenzierung
ihres Körpers in Soma und Geschlechtszellen nur den Tod eingetauscht;
dennoch sind die Leistungen ihrer Zellen im Prinzip die selben
geblieben wie bei den niedersten Lebewesen auch.47)
Ausführliche Betrachtungen zu diesem Thema
in den Arbeiten Uexkülls.
3.
"..das Auge beständig variiert und diese Veränderungen
erblich sind.."
Welche Voraussetzungen und Missverständnisse
in diesem Satz stecken, haben oben die Zitate von H. Nilsson, D.
Einhorn und Remane/Storch/Welsch gezeigt. Abgesehen von der biologisch
unhaltbaren Betrachtungsweise isolierter Organe und Organreihen,
die ja nur innerhalb eines Gesamtsystems sinnvoll ihre genaue Struktur
und Funktion, ihren bestimmten 'Platz' im Wechselspiel mit dem Organismus
einnehmen können, sind erfahrungsgemäß die
Variation und damit die Veränderungen begrenzt.
4.
"..wenn schließlich diese Veränderungen
einem Tier unter wechselnden Lebensbedingungen nützen.." Wenn
die Variabilität "im großen" (vgl. D. Einhorn) begrenzt
ist, ist auch das Anpassungsvermögen begrenzt.
T. von Uexküll 1963, pp. 235/237:
Hinter der Art und Weise, wie der Begriff 'Anpassung'...verwendet
wird, steckt eine Philosophie, die von der Annahme ausgeht, die Lebewesen
hätten sich zu Beginn in einer Welt befunden, für die sie
nicht ausgerüstet waren und an die sie sich erst im Laufe einer
unendlich langen Entwicklungsgeschichte hätten anpassen müssen.
Nach dieser Vorstellung wären schließlich alle Leistungen
und Reaktionen lebender Wesen durch Anpassung entstanden. Denkt man
diese Vorstellung konsequent zu Ende, dann hätten die Lebewesen
der ersten Zeiten noch nicht über Reaktionen verfügt, die
in irgendeiner Weise sinnvolle Antworten auf die Außenwelt
bedeuteten. Es ist aber außerordentlich unwahrscheinlich, daß Tiere,
Pflanzen oder auch Einzeller in einer Umgebung, mit der sie nicht
das Geringste anfangen können, am Leben bleiben und Zeit haben,
Anpassungsleistungen zu vollziehen. Ein Fisch, der aufs Land gerät,
paßt sich der neuen Umgebung nicht an, sondern geht zugrunde...Wir
kennen keine Anpassung, die von einem Zustand primärer Unordnung
zu einem Zustand der Ordnung führt. Das ergibt sich auch daraus,
daß Anpassung nur bereits vorhandene Reaktionsformen steigern
und verbessern, aber keine prinzipiell neuen Reaktionen hervorbringen
kann.48)
5.
Ein Wort zur "Einbildungskraft" (imagination) -
letzter Satz des vorigen Darwin-Zitats: Hier wird in gezielter Weise
die Schwierigkeit nicht in der Theorie gesehen, sondern in die Einbildungskraft
verlegt. Dem Leser soll also eingeredet werden, dass die Schwierigkeit
bei 'uns', nicht in der Theorie liegt. Ohne sichere Beweise ist diese
Methode nur der unehrliche Versuch einer Umwertung.
An den Tatsachen orientiert, müsste der ganze
vorhin zitierte Absatz aus Darwins Origin wie folgt lauten:
Der Verstand sagt mir: wenn eine Reihe von Differenzierungsstufen
des Auges, jede für die betreffende Tierart vollkommen in Struktur
und Funktion, in koadaptativem Zusammenwirken mit der gesamten Lebensform
ihrem Besitzer nützt, was ja sicher der Fall ist, wenn ferner
das Auge durch das gegebene korrelative Zusammenspiel nur begrenzt
variieren kann (von der "Unendlichkeit im kleinen" abgesehen), was,
wie alle Erfahrung lehrt, sicherlich zutrifft; und wenn schließlich
die wechselnden Lebensverhältnisse über die Anpassungsmöglichkeiten
eines Tieres hinausgehen, was erfahrungsgemäß zum Ende
des betroffenen Individuums oder auch einer ganzen Tierart führt,
so kann die Schwierigkeit, dass ein hochdifferenziertes, "vollkommenes" Auge
durch die natürliche Zuchtwahl gebildet worden sein könne
(was mit der Frage unserer Vorstellungskraft ja überhaupt nichts
zu tun hat), die Selektionstheorie nur noch umstürzen.
D
"How a nerve comes to be sensitive to light, hardly
concerns us more than how life itself originated; but I may remark
that, as some of the lowest organisms, in which nerves cannot be
detected, are capable of perceiving light, it does not seem impossible
that certain sensitive elements in their sarcode should become aggregated
and developed into nerves, endowed with this special sensibility."
"Die Frage, wie ein Nerv für Licht empfänglich
wird, bekümmert uns hier kaum mehr als die Frage, wie Leben
entsteht. Da aber manche niedrige Organismen, bei denen man keine
Nerven entdecken konnte, lichtempfindlich sind, so erscheint es als
denkbar, daß gewisse sensitive Bestandteile ihrer Sarkode sich
zu Nerven entwickelt haben, die diese besondere Empfindlichkeit besitzen."
"Hypothesen sind Gerüste, die man vor dem Gebäude
aufführt und die man abträgt, wenn das Gebäude fertig
ist. Sie sind dem Arbeiter unentbehrlich; nur muß er das Gerüst
nicht für das Gebäude halten" (Goethe; Maximen und Reflexionen).
Troll, W. schreibt über die Deszendenzlehre:
Es passen auf ihre Vertreter die Worte, die einst
C.E. von Baer den Deszendenztheoretikern seiner Tage entgegengehalten
hat: daß sie sich etwas ausdenken, was als möglich erscheint,
um daraus ohne weiteres auf dessen Wirklichkeit zu schließen.49)
"Denkbar" erscheint leider oft mehr als die Realität
zulässt. Ein "it does not seem impossible" besagt für das
reale Geschehen auf unserer Welt noch gar nichts. Wir müssen
daher schon weiter fragen: Wieweit sind solche Umwandlungsideen faktisch
erwiesen? Welche Ursachen könnten in Frage kommen? Wie groß (oder
wie gering) ist die mathematische Wahrscheinlichkeit gemäß den
inzwischen erforschten Mutationen? Wenn eine Zufalls-Entwicklung
prinzipiell ausscheidet, welche anderen Möglichkeiten sind in
diesem Falle zu erwägen? Wenn man auf der anderen Seite sich
eine Sache immer so denkt, wie man sie sich gerade wünscht,
nennt man so etwas "Wunschdenken". Wenn wir dann schließlich
auch noch anfangen, das, was denkbar ist, mit dem zu verwechseln,
was bewiesen ist, haben wir die exakte, d.h. die an der Erfahrung
orientierte Forschung verlassen!
Die Frage, wie Leben entsteht hat die Gemüter
zu Darwins Zeit sehr bewegt (Ich erinnere an die berühmten Versuche
Pasteurs) und sie bewegt die Biologen in den letzten Jahrzehnten
in vermehrtem Maße. Eine umfassende Kritik zu den neueren Hypothesen
zur Entstehung des Lebens findet der interessierte Leser in R.L.
Wysong: The Creation-Evolution Controversy; Inquiry Press; P.O. Box
1766; East Lansing, Michigan 48823; 1976, pp. 69 -263. Korrigiert
müsste Darwins Text so lauten:
Die Frage, wie ein Nerv für Licht empfindlich
wird, interessiert uns beim Thema "Entstehung des Auges" mehr als
die Frage, wie das Leben überhaupt entstanden ist. Da wir aber
weder für die eine noch für die andere Frage mit zufälligen
Ereignissen rechnen können und auch Gesetzmäßigkeiten,
nach denen die Bildung solcher Strukturen mit Notwendigkeit erfolgen
müsste, völlig unbekannt sind, ja sowohl mathematische Überlegungen
als auch das Entropiegesetz dagegen sprechen, erscheint es als denkbar,
dass hinter dem Ursprung dieser erstaunlich komplizierten Strukturen
Planmäßigkeit, Bewusstsein, Intelligenz und Geist stehen.
Dass lichtempfindliche niedere Organismen "von selbst" aus Teilen
ihres Plasmas hochdifferenziertes, lichtempfindliches Nervengewebe
entwickelt haben könnten, erscheint denkbar unwahrscheinlich.
E
"In searching for the gradations through which an
organ in any species has been perfected, we ought to look exclusively
to its lineal progenitors; but this is scarcely ever possible, and
we are forced to look to other species and genera of the same group,
that is to the collateral descendents from the same parent-form,
in order to see what gradations are possible, and for the chance
of some gradations having been transmitted in an unaltered or little
altered condition. But the state of the same organ in distinct classes
may incidentally throw light on the steps by which it has been perfected."
"Wenn wir die Abstufungen kennen lernen wollen,
durch die ein Organ bei irgendeiner Art vervollkommnet wurde, so
müssen wir ausschließlich bei den direkten Vorfahren Umschau
halten. Das ist aber kaum jemals möglich, und wir müssen
uns deshalb bei anderen Arten und Gattungen derselben Gruppe umsehen,
d.h. bei den Seitenlinien derselben Stammform, um zu erkennen, ob Übergangszustände
möglich sind und ob es wahrscheinlich ist, daß einzelne
dieser Zustände unverändert oder nur wenig verändert
vererbt worden sind. Aber auch der Zustand dieses Organs bei verschiedenen
Klassen kann Licht auf die Art der Vervollkommnung werfen."
Es scheint wohl immer noch die wirksamste Methode
zu sein, das, was man beweisen will, als unbedingt gegeben vorauszusetzen
und von hier aus zu argumentieren, indem man ein möglichst anschauliches
Bild nach den Voraussetzungen zeichnet. Nun gibt es ohne Frage im
Leben Bereiche und Situationen, die rational-empiriokritischer Lösungsmethodik
(zumindest) nicht ohne weiteres zugänglich sind, in denen also
eine mehr intuitive Verfahrensweise nicht nur erlaubt, sondern sogar
notwendig sein kann. Wissenschaftliche Ergebnisse gehören
jedoch nicht dorthin (obwohl die Gewinnung solcher manchmal seltsame
Wege gehen kann). Die Ergebnisse selbst müssen jedoch durch
die Tatsachen belegbar sein - andernfalls handelt es sich nur um
prinzipiell widerlegbare Annahmen. Drei unrichtige Punkte sind für
den oben zitierten Darwin-Text zu nennen:
1) Es wird wieder mit der "Vervollkommnung" des
isolierten Organs gearbeitet. Dabei müssen wir uns bewusst sein,
dass Darwin mit den allgemein als falsch abgelehnten lamarckistischen
Vorstellungen arbeitet. Eine "Vervollkommnungsreihe" (vielleicht
in Bezug auf einen Selektionsschwerpunkt in einem bestimmten Gebiet)
kann, und dafür gibt es viele Beispiele, Ausdruck mendelscher
Spaltung (Neukombination) sein. Aber es kommt dabei nie mehr heraus,
als eben durch Neukombinationen möglich ist.
2) Mit der "Vervollkommnung" werden dann auch gleich
noch die weniger vollkommenen Vorfahren samt der "weiterentwickelten" bzw.
etwas zurückgebliebenen Arten und Gattungen derselben Gruppe,
die Seitenlinien vorausgesetzt.
3) Im Widerspruch zur Selektionstheorie steht die
Annahme, dass die Seitenlinien z.T. noch nicht soweit vervollkommnet
("some gradations..transmitted..unaltered") sein sollen, wenn doch
schon die geringste "Vervollkommnung" über Tod und Leben im
Kampf ums Dasein entscheidet. Die "unvollkommeneren" Seitenlinien
hätten danach längst untergehen müssen. Wir finden
aber heute die verschiedensten Differenzierungsstufen von Organen
im selben Biotop, 'Nachkomme' neben 'Vorfahr', was eben zeigt, dass
für den Gesamtorganismus mit seiner ökologischen Nische
die gegebene Differenzierungsstufe jeweils vollkommen ist. Die Annahme,
dass beispielsweise unser Regenwurm eines Tages "durch Vervollkommnung" eine
völlig neue ökologische Nische erobert, ist durch nichts
belegt.
Den Tatsachen entsprechend müsste Darwins Text
etwa lauten:
Wenn wir die Differenzierungsstufen eines Organs
bei einer bestimmten Gruppe kennen lernen wollen, so müssen
wir uns die gesamte Gruppe, rezent und fossil, genau ansehen und
dabei die Koadaptation, Innenwelt und Umwelt einer Lebensform entsprechend
berücksichtigen. Um in fossil wenig belegten Fällen herauszufinden,
ob neben den bekannten Differenzierungsstufen weitere vorgelegen
haben könnten, ist ein Vergleich mit morphologisch verwandten
Gruppen sinnvoll. Aber auch in diesem Falle darf das Organ nicht
isoliert betrachtet, sondern muss sein Stellenwert im Gesamtorganismus
berücksichtigt werden. Mit "Vervollkommnung" hat die ganze Frage
nichts zu tun.
F
"The simplest organ which can be called an eye consists
of an optic nerve, surrounded by pigment-cells and covered by translucent
skin, but without any lens or other refractive body. We may however,
according to M. Jourdain, descent even a step lower and find aggregates
of pigment-cells, apparently serving as organs of vision, without
any nerves, and resting merely on sarcodic tissue. Eyes of the above
simple nature are not capable of distinct vision, and serve only
to distinguish light from darkness. In certain star-fishes, small
depressions in the layer of pigment which surrounds the nerve are
filled, as described by the author just quoted, with transparent
gelatinous matter, projecting with a convex surface, like the cornea
in the higher animals. He suggests that this serves not to form an
image, but only to concentrate the luminous rays and render their
perception more easy. In this concentration of the rays we gain the
first and by far the most important step towards the formation of
a true, picture-forming eye; for we have only to place the naked
extremity of the optic nerve, which in some of the lower animals
lies deeply buried in the body, and in some near the surface, at
the right distance from the concentrating apparatus, and an image
will be formed on it."
"Das einfachste Organ, das noch Auge genannt werden
kann, besteht aus einem von Pigmentzellen umgebenen und von einer
durchscheinenden Haut überwachsenen Sehnerv ohne Linse und andere
strahlenbrechende Körper. Wir können indessen nach Jourdain
noch eine Stufe tiefer steigen, wo wir Aggregate von Pigmentzellen
finden, die offenbar als Sehorgane wirken, aber keine Sehnerven haben
und einfach auf der Sarkodemasse ruhen. Augen so einfacher Art können
natürlich nicht eigentlich sehen, sondern nur Licht von Dunkelheit
unterscheiden. Bei gewissen Seesternen sind nach der Darstellung
des erwähnten Autors kleine Vertiefungen in dem vom Nerv umgebenen
Pigmentlager mit einer durchsichtigen gallertigen Masse gefüllt
und ragen mit ihrer der Hornhaut höherer Tiere ähnlichen
gewölbten Oberfläche hervor. Jourdain vermutet, daß dies
kein Bild formen, sondern nur die Lichtstrahlen sammeln und ihre
Wahrnehmung erleichtern soll. In solcher Ansammlung der Lichtstrahlen
erblicken wir den ersten und wichtigsten Schritt zur Entstehung eines
echten, bilderformenden Auges. Wir brauchen nur das bloßgelegte
Ende des Sehnervs, der bei einigen niederen Tieren tief im Körper
verborgen, bei anderen nahe der Oberfläche liegt, in die richtige
Entfernung von dem konzentrierenden Apparat zu bringen, und es wird
ein Bild auf ihm entstehen."
1.
Bei diesem, dem damaligen Kenntnisstand entsprechenden
noch recht unvollkommenen und diffusen Bild verschiedener Differenzierungsstufen
des Auges (wir wollen hier Darwin keinen Vorwurf machen) wird die
Rechnung wieder ohne den Wirt gemacht: Was würde beispielsweise
einem Seestern ein "vollkommenes" Wirbeltierauge (mit allen Details
- siehe Titelbild) praktisch nützen?
Es fehlte ein entsprechend hoch differenziertes
Nervenzentrum zur Entschlüsselung der Daten, und selbst wenn
er das hätte, fehlten ihm adäquate Reaktions- und Antwortmöglichkeiten.
Den Feind schon aus weiter Entfernung genau sehen und dann auf dem
Coelom laufen zu müssen, wäre ein Elend.
Dass die Seesterne in ihrem jetzigen Zustand 'trotzdem'
bestens überleben und gedeihen, zeigt, dass sie mit der gegebenen
Ausrüstung an Sinnesorganen vollkommen 'angepasst' sind.
2.
Wir wollen weiter feststellen, dass die verschieden
hoch differenzierten Lichtsinnesorgane noch in keiner Weise etwas über
ihre Entstehung im Sinne einer abstammungstheoretischen Verknüpfung
aussagen. Denn erst diese Verknüpfung, dieser postulierte phylogenetische
Zusammenhang, ist der entscheiden Punkt, der zu belegen ist, und
gerade dieser Punkt fehlt. Andernfalls deuten wir nur
die abgestufte Mannigfaltigkeit im Sinne der Abstammungsidee, um
diese dann wieder mit der abgestuften Mannigfaltigkeit zu 'belegen'
und befinden uns damit in einem Zirkelschluss.
3.
"Ansammlung der Lichtstrahlen" ("concentration of
rays"): Auch hier wird vorausgesetzt, was zu erklären ist, nämlich
die Entstehung einer gewölbten, durchsichtigen Oberfläche.
4.
"Wir brauchen nur...Ende des Sehnervs...in die richtige
Entfernung von dem konzentrierenden Apparat zu bringen.." Alles,
was zu erklären wäre, wird einfach vorausgesetzt: der Sehnerv,
der konzentrierende Apparat (wie bei 3) und dazu noch die Zuordnung
beider in Zeit und Raum in der Ontogenese.
Unklar bleibt darüber hinaus, welchen Selektionsvorteil
ein konzentrierender Apparat zunächst ohne Sehnerv haben soll.
5.
"..und es wird ein Bild auf ihm entstehen." "..auf
ihm" schon, aber die Transformation eines Bildes in elektrophysiologische
Impulse und deren Entschlüsselung im Gehirn ist ein 2. und 3.
Problem, ohne dessen Lösung die Entstehung eines Bildes auf
einem Sehnerv noch nichts bringt. Diese Simplifikationen im Sinne
der Theorie sind (zumindest heute) schlicht unmöglich.
Eine Gesamtkorrektur und Neuformulierung des eben
behandelten Abschnittes aus Darwins Origin würde heute mehrere
Seiten Text mit Abbildungen erfordern. Der interessierte Leser findet
Abhandlungen über die verschiedenen Differenzierungsstufen des
Auges in modernen Lehrbüchern und Fachliteratur zum Thema (vgl.
Literaturverzeichnis!). Die wesentlichen korrekturbedürftigen
Punkte sind aufgeführt.
G
"In the great class of the Articulata, we may start
from an optic nerve simply coated with pigment, the latter sometimes
forming a sort of pupil, but destitute of a lens or other optical
contrivance. With insects it is now known that the numerous facets
on the cornea of their great compound eyes form true lenses, and
that the cones include curiously modified nervous filaments. But
these organs in the Articulata are so much diversified that Müller
formerly made three main classes with seven subdivisions, besides
a fourth main class of aggregated simple eyes."
"In der großen Klasse der Gliedertiere können
wir von einem einfach mit Pigment bekleideten Sehnerv ausgehen; das
Pigment stellt zuweilen eine Art Pupille dar, aber es sind weder
eine Linse noch sonstige optische Einrichtungen da. Bei den Insekten
bilden, wie uns bekannt ist, die zahlreichen Facetten auf der Hornhaut
der großen zusammengesetzten Augen wahre Linsen, und die Kegel
schließen eigentümlich abgeänderte Nervenfäden
ein. Indessen sind diese Organe bei den Gliedertieren so mannigfach
gestaltet, daß Johannes Müller früher drei Hauptklassen
zusammengesetzter Augen mit sieben Unterabteilungen bildete, außerdem
eine vierte Hauptklasse der aggregierten einfachen Augen."
H. Weber schreibt in seinem GRUNDRIß DER INSEKTENKUNDE
(1966, p. 86) zu unserem Thema u.a.:
Die älteren Vorstellungen vom Bau und den Funktionen
des Nervensystems und der Sinnesorgane sind durch die neuen elektronenmikroskopischen
und elektrophysiologischen Untersuchungen vielfach als unzutreffend,
als zu grob, zu starr oder zu einfach erwiesen worden.50)
Wir wollen noch einmal betonen, dass wir Darwin
deshalb selbstverständlich keinen Vorwurf machen. Wir möchten
jedoch herausstellen, dass er in vielen Fragen von objektiv zu simplen
Vorstellungen ausgegangen ist, Vorstellungen, die seiner Theorie
gelegen kamen, ja für sie notwendig waren. Aber mit den zu simplen
Vorstellungen fällt auch die zu simple Theorie! Weber schreibt
als Einleitung zum Thema Sinnesorgane, Nervensystem, endokrines System
und Verhalten (p. 85):
Die im folgenden behandelten Organsysteme stellen
nicht nur die Verbindung zwischen dem Organismus und der Umgebung
dar, sondern auch die physiologischen Korrelationen innerhalb des
Organismus selbst; sie machen aus einem Nebeneinander von Organen,
von Teilkonstruktionen, ein einheitlich arbeitendes, zentral gesteuertes
Ganzes, ein in spezifischer Weise gleichzeitig autonomes und umgebungsabhängiges
Raumzeitsystem.
Der Deszendenztheoretiker H. Weber hat keinen Versuch
gemacht, die "Entwicklung" im Einzelnen zu begründen. Er schreibt
(p. 196):
..die Abstammung der Insekten läßt sich
nur indirekt aus den Ergebnissen der vergleichenden Morphologie der
Artikulaten erschließen und bleibt daher strittig.
Schon die unterkambrischen Trilobiten haben perfekte
Facettenaugen (O.H. Walliser 1972, p. 18551):
..es handelte sich um typische Facettenaugen. Ein
einzelnes Auge konnte aus bis über fünfzehntausend sechseckigen
oder bis vierhundert runden Linsen bestehen.
Über eine Darwinsch'e "Entwicklung" ist nichts
bekannt.
Zu Johannes Müller wäre zu sagen, dass
dieser in der Mannigfaltigkeit den Ausdruck genialer Schöpfungstätigkeit
Gottes sah, der seine Geschöpfe im Sinne des Gesamtplanes der
Schöpfung mit verschieden hoch differenzierten Lichtsinnesorganen
ausstattete.
H
"When we reflect on these facts, here given much
too briefly, with respect to the wide, diversified, and graduated
range of structure in the eyes of the lower animals; and when we
bear in mind how small the number of all living forms must be in
comparison with those which have become extinct, the difficulty ceases
to be very great in believing that natural selection may have converted
the simple apparatus of an optic nerve, coated with pigment and invested
by transparent membrane, into an optical instrument as perfect as
it is possessed by any member of the Articulate Class."
"Wenn wir über die hier nur angedeuteten Tatsachen
der großen mannigfaltigen und abgestuften Reihe der Augenbildung
bei niederen Tieren nachdenken und ferner erwägen, wie gering
die Zahl der lebenden Formen im Vergleich zu den ausgestorbenen ist,
so fällt es uns nicht schwer zu glauben, daß die natürliche
Zuchtwahl den einfachen Apparat eines mit Pigment bekleideten und
von durchsichtiger Haut bedeckten Sehnervs in ein so vollkommenes
optisches Werkzeug verwandeln konnte, wie es irgendeine Gliedertierart
besitzt."
Es ist immer dieselbe Methode: Wenn es eine kontinuierliche
Evolution im Darwinsch'en Sinne gegeben hat, dann ist die Zahl der
lebenden Formen im Vergleich zu den ausgestorbenen äußerst
gering: wir haben dann heute nur einen Querschnitt aus einem ungeheuren
Strom von (Zwischen-)Formen vom Präkambrium bis jetzt. Und wenn
wir dann auch noch die Koadaptation, die Umwelt und Innenwelt der
Tiere beiseite lassen und eine lineare "Vervollkommnung" von Organen
durch die "natürliche Selektion" voraussetzen, die all die Zwischenformen
laufend verbessert hat, "so fällt es uns nicht schwer zu glauben,
daß..." Dieses "so fällt es uns nicht schwer zu glauben" ist übrigens
charakteristisch für Darwins Sache: Aus der bekannten abgestuften
Mannigfaltigkeit eine Abstammungsreihe zu machen, ohne den faktischen
Beweis dafür in den Händen zu halten, nämlich die
postulierten Transformationen beobachten zu können, ist und
bleibt Glaubenssache. Exakte an den in der Natur zu
beobachtenden Prozessen orientierte Forschung liegt auf einer anderen
Ebene.
Für die Frage nach der Vergangenheit ist nun
die Paläontologie zuständig, die die abgestufte Mannigfaltigkeit
ohne Frage bereichert hat. Ein Kontinuum im von Darwin geforderten
Sinne hat sie allerdings nicht zeigen können.
Im Gegenteil: Wie führende Paläontologen mit allem Nachdruck
hervorgehoben haben, erscheint "ein neuer Bauplan von dem systematischen
Range etwa einer Klasse oder Ordnung gewöhnlich völlig
unvermittelt auf der Bildfläche, ohne lange Reihen von Bindegliedern,
die uns eine allmähliche Herausgestaltung aus einer anderen,
seine Wurzel bildenden Klasse oder Ordnung vor Augen führen
würden" (O.H. Schindewolf 1965, pp. 85/86).52
O. Kuhn 1970, p. 97:
Mit der Feststellung, daß die Typen und Subtypen
unvermittelt auftreten, ist die klassische Abstammungslehre, deren
Sinngebung ja gerade darin lag, daß sie kleinste Schritte,
die keiner eigentlichen Erklärung zu bedürfen schienen,
zu großen Wirkungen addierte, widerlegt. Wir müssen diese
Feststellung hier Einmal mit größtem Nachdruck treffen,
nachdem vielfach immer noch so getan wird, als wäre das Beweismaterial
für die Umbildung der Tier- und Pflanzenwelt in bester Ordnung
und bedürfe keinerlei Argumente mehr.53)
Da nun für einen Darwin-Gläubigen der
Fehler prinzipiell nicht bei der Theorie liegen kann, liegt er hier
folgerichtig bei der Paläontologie, deren Material ja "viel
zu lückenhaft" ist. Schon ein Zeitgenosse Darwins hat die Sache
so parodiert:
Die Unvollständigkeit der geologischen Urkunden,
dieser Refrain, womit Darwin alle paläontologischen Einwürfe
beantwortet, diese besondere Form jenes Universalmittels Darwin's
gegen alle Schwierigkeiten seiner Theorie: unsere allzugrosse Unwissenheit
gegenüber den Thatsachen, um deren Erklärung es sich handelt,
hat auch bei seinen Anhängern Aufnahme gefunden und pflegt von
denselben mit ermüdender Stereotypie wiederholt zu werden, ohne
dass durch diese Wiederholung die im Wege stehenden paläontologischen
Thatsachen beseitigt worden wären. Von vornherein macht die
Art und Weise, wie Darwin die Unvollständigkeit des geologischen
Schöpfungsberichtes und unsere fragmentarische Kenntnis desselben
urgirt, den Eindruck, als verdanke sie ihre Erheblichkeit grossentheils
dem Interesse, dadurch einen Ausweg aus der sich der Theorie aufdrängenden
Verlegenheit zu gewinnen. In Wirklichkeit erscheint diese Unvollständigkeit
sehr übertrieben.54)
Diese Sätze sind in den folgenden (über
hundert) Jahren intensivster paläontologischer Forschung schlagend
bestätigt worden. Millionen von Fossilien, insbesondere von
Tieren mit Hartteilen, neue Klassen und Ordnungen etc. sind entdeckt
worden, aber Übergangsserien von einer Klasse oder Ordnung zur
anderen fehlen nach wie vor. Die Grenzen sind in vielen Fällen
schärfer geworden, statistische Untersuchungen haben die Vollständigkeit
der Überlieferung für verschiedene Tiergruppen belegt,
nur unsere Darwinisten reden nach wie vor ganz generell von "der
Lückenhaftigkeit der Fossilüberlieferung". Ausführliche
Diskussion zu diesen Fragen in meiner Arbeit ARCHAEOPTERYX - PARADIGMA
EVOLUTIONISTISCHER FEHLINTERPRETATION 1975, pp. 14 - 20, 73 - 75,
81.
In (den Tatsachen entsprechender) korrigierter Form
müsste Darwins Text lauten:
Wenn wir über die hier nur angedeuteten Tatsachen
der großen abgestuften Mannigfaltigkeit der gegeneinander scharf
abgegrenzten Gruppen im Tierreich unter besonderer Berücksichtigung
der Augenbildung samt korrelativen Beziehungen bei niederen Tieren
nachdenken und ferner erwägen, dass auch fossil die Gruppen
scharf voneinander abgesetzt sind, so fällt es uns nicht schwer
einzusehen, dass eine mit kontinuierlichen Übergängen und
Vervollkommnungstendenzen arbeitende "natürliche Zuchtwahl" niemals
den einfachen Apparat eines mit Pigment bekleideten und von durchsichtiger
Haut bedeckten Sehnervs in ein so vollkommenes optisches Werkzeug
verwandeln konnte, wie es irgendeine Gliedertierart besitzt.
I
"He who will go thus far, ought not to hesitate
to go one step farther, if he finds on finishing this volume that
large bodies of facts, otherwise inexplicable, can be explained by
the theory of modification through natural selection; he ought to
admit that a structure even as perfect as an eagle's eye might thus
be formed, although in this case he does not know the transitional
states."
"Wer soweit gehen will, der kann, wenn er nach der
Lektüre dieses Buches findet, daß eine Menge sonst unverständlicher
Tatsachen durch die natürliche Zuchtwahl erklärt werden,
auch noch einen Schritt weiter gehen und annehmen, daß auf
dieselbe Weise ein so vollkommenes Instrument wie das Auge des Adlers
gebildet werden kann, obgleich er hier die Übergangsstufen nicht
kennt."
Kontinuierliche Übergangsstufen in progessiver
Richtung kennt er doch bei den anderen Formen meist auch nicht! Überhaupt
ist das wieder so ein "Argument": Ich habe mir die Arbeit gemacht,
bisher etwa 3/4 von Darwins Werk wie in der bisher zitierten Weise,
Satz für Satz zu studieren, zu durchdenken und bei einem parallellaufenden
intensiven Studium der Intelligent Design-Theorie diese mit Darwins
Gedankengängen zu vergleichen. Die Intelligent Design-Theorie
erklärt die biologischen Tatsachen in voller Harmonie, während
Darwin praktisch in seinem ganzen Buch in der vorliegend exemplifizierten
Weise arbeiten, d.h. sich dauernd ins Unbestimmt-Nebelhafte zurückziehen
muss. Der Appell, wegen der in den übrigen Teilen des Buches "verständlich" gemachten
Tatsachen, auch noch einen Schritt weiterzugehen, ist angesichts
der zu erklärenden komplizierten biologischen Strukturen nur
noch als pseudowissenschaftlich abzulehnen.
J
"It has been objected that in order to modify the
eye and still preserve it as a perfect instrument, many changes would
have to be effected simultaneously, which, it is assured, could not
be done through natural selection;"
"Um das Auge zu modifizieren und doch als vollkommenes
Instrument zu erhalten, hat man gesagt, hätten viele Veränderungen
gleichzeitig erfolgen müssen, was, wie man annimmt, die natürliche
Zuchtwahl nicht zu vollbringen vermochte."
Das ist völlig richtig. Vgl. zum Problem der
Koadaptation die Seiten 8 - 12, 20, 22 der vorliegenden Zusammenstellung.
Die weiteren Ausführungen Darwins zu diesem Punkt treffen den
Kern der Sache nicht:
K
"but as I have attempted to show in my work on the
variation of domestic animals, it is not necessary to suppose that
the modifications were all° simultaneous, if they were extremely
slight and gradual."
"Wie ich jedoch in meinem Werke über das Variieren
der Haustiere zu zeigen versuchte, braucht man durchaus nicht anzunehmen,
daß alle Abänderungen gleichzeitig eintraten, wenn sie
nur gering waren und allmählich erfolgten."
Das sind die Feinheiten der Überredungskunst
(nicht die der naturwissenschaftlichen Beweisführung): Der Einwand
lautete, dass "viele Veränderungen hätten
gleichzeitig erfolgen müssen". Im nächsten Satz heißt
es zur Begegnung des Einwandes aber, man brauche durchaus nicht anzunehmen, "daß alle Abänderungen
gleichzeitig eintraten." Kurz: aus "viele" mach "alle" und verneine
Ersteres mit dem Letzteren! Dass jedoch alle Abänderungen gleichzeitig
eintreten müssten, behauptet ja niemand, der sich mit der Frage
näher beschäftigt hat. Dennoch müssten bei vielen
Schritten eine ganze Reihe von Abänderungen nicht nur im Auge,
sondern auch im Gehirn, wo die vom Auge kommenden Impulse sinnvoll
verarbeitet werden müssen, gleichzeitig und gleichsinnig, korreliert,
vonstatten gehen. Bei der Behandlung des Koadaptationsproblems haben
wir schon über Einzelheiten gesprochen. Dass überdies "extremely
slight and gradual modifications" einen für das Überleben
der Art (auf jeder Stufe, versteht sich - sonst bliebe die jeweilige
Stufe ja nicht erhalten) entscheidenden Selektionsvorteil hätten,
bleibt fragwürdig.
°Dieses "all" ist im Englischen durch die Wortstellung
etwas dezenter.
L
"Different kinds of modification would, also, serve
for the same general purpose: as Mr. Wallace has remarked, "if a
lens has too short or too long a focus, it may be amended either
by an alteration of curvature, or an alteration of density;"
"Auch können verschiedene Modifikationen demselben
allgemeinen Zweck dienen. So sagt Wallace: "Wenn eine Linse eine
zu kurze oder zu große Brennweite hat, kann sie entweder durch Änderung
der Krümmung oder durch Änderung der Dichtigkeit verbessert
werden."
Wenn wir voraussetzen, dass es solche verbessernden
Mutationen (wie wir heute sagen würden und über deren Wahrscheinlichkeit
wir auf den Seiten 17 - 19 schon gesprochen haben) überhaupt
gibt und dass wir es immer nur mit einer Abweichung
für einen Verbesserungsschritt zu tun haben, während all
die anderen Strukturen (im Widerspruch zu Darwins Äußerung
p. 57 oben) dabei noch völlig konstant bleiben, ist der Satz
richtig. Wenn hingegen bei mehreren, sagen wir 10 Abweichungen vom
funktionsfähigen Wirbeltierauge (den anfänglichen Linsenbildungen
fehle 1. noch die notwendige Klarheit, 2. die exakte Brennweite,
3. die Krümmung sei unregelmäßig, 4. Sehnerv und
erste Strukturen der Netzhaut seien noch nicht für die Verwertung
von Bildern eingerichtet usw. usf.) 10 verschiedene Strukturen in
10 verschiedene Richtungen mutieren, wobei die Mutationen prinzipiell
dazu tendieren, eine bestehende Gen-Ordnung zu zerstören, - "wird
man dann nicht glauben", dass irgendetwas faul ist an Darwins und
der Neodarwinisten Sache?
M
"if the curvature be irregular, and the rays do
not converge to a point, then any increased regularity of curvature
will be an improvement."
"Ist die Krümmung unregelmäßig und
treffen die Strahlen nicht in einem Punkte zusammen, so wird jede
Zunahme der Regelmäßigkeit ihrer Krümmung eine Verbesserung
sein."
Dass jede kleine Zunahme der Regelmäßigkeit
aber auch schon einen Selektionswert hätte und dass bei den
unzähligen Möglichkeiten der Unregelmäßigkeit
gerade die eine (bzw. verschwindend wenigen) der notwendigen einheitlichen
und optisch korrekten Krümmung(en) getroffen wird (bzw. werden),
während die anderen Strukturen richtungslos weiter variieren,
das darf man wohl mit ruhigem Gewissen bezweifeln. Aber selbst wenn
wir annehmen, dass die Linse besser werde, ist damit noch nichts
gewonnen; denn das Bild, das entsteht, kann damit noch lange nicht
besser über die nicht entsprechend weiterentwickelten Strukturen
der Netzhaut, des Sehnervs und Gehirns entschlüsselt und durch
ein noch nicht erweitertes Repertoire an Verhaltensweisen sinnvoll
verwertet werden. Die mangelnde Berücksichtigung des Koadaptationsproblems
macht alle diese selektionstheoretischen Vermutungen völlig
wertlos.
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